Das ehrsame Handwerk
„Ist doch Ehrensache“, war die Antwort von Schmiedemeister Robert Höck auf die Frage, ob er wieder beim 8. Stadtfest „Friedberger Zeit“ mitmachen wolle. Genau diese Ehre hatte im Bewusstsein der Bürger im 18. Jahrhundert eine hohe Bedeutung. Nur ehrsame und ehrliche Leute konnten ein Handwerk erlernen. Unehrlichkeit oder eine schimpfliche Strafe, z.B. das Stehen am Pranger hatte den Ausschluss aus der Zunft zur Folge. Dabei wurde dem Handwerker der zur Zunfttracht gehörende Ohrring ausgerissen. „Schlitzohr“ ist seitdem die Bezeichnung für einen listigen Menschen.
„Habe die Ehre“, als Begrüßung in Friedberg bis in die Fünfziger Jahre des 20. Jahrhunderts zu hören, entsprach dem Ehrgefühl der Menschen der „Friedberger Zeit“ und wird beim Stadtfest wieder mit Freude gesprochen. Die Friedberger Handwerker, die am Stadtfest teilnehmen, halten diese Ehre hoch. Sie nehmen alle ehrenamtlich teil und investieren Zeit, Kosten und viel Mühe.
Die Nachfolge der Zünfte, von denen es im Jahre 1728 in Friedberg 16 gab, haben heute die Kreishandwerkerschaften und Innungen übernommen. Sie nehmen jetzt die Gesamtinteressen des selbständigen Handwerks wahr. Ein solcher „Zunftmeister“ aus dem 18. Jahrhundert ist heute Robert Höck, Obermeister der Innung Metall Augsburg und stellvertretender Kreishandwerksmeister. Er nimmt zusammen mit seiner Familie und seinen Mitarbeitern und der Fa. Federal Mogul, früher unter Leitung von Hubert Gerstmaier und Vitus Lichtenstern und den Lehrlingen mit ihren Schmieden am Jakobsplatz am Stadtfest teil. Die Tradition führt der Verein AP Verein Historische Eisenhütte Friedberg e. V. unter Leitung von Angelique Diamilla weiter. Wagen-, Huf- und Nagelschmiede waren in der Zunft der Schmiede und Wagner im 18. Jahrhundert vereint. Der Schmied genoss hohes Ansehen, galt er doch als Handwerker, der durch die Metallbearbeitung von Waffen bis Gebrauchsgegenständen vieles herstellen konnte. Auch der Messerschmied, der sich auf die Herstellung von Messern und Klingenwerkzeugen spezialisiert hatte, war seit dem Mittelalter vielerorts tätig. Die Alberstöttische Messerfabrik in der Nähe des Wasserhauses an der Ach stellte bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts Messer her. Besonders beliebt waren die sogenannte Schnacklmesser.
Zur Hammerlzunft gehörte auch der Zinngießer. Xaver Weingärtner im Haus-Nr. 212 fertigte aus Zinn, dem "Silber des kleinen Mannes", Teller und Krüge und sonstige Gegenstände für den Hausebrauch, auch Zinnfiguren als Lernspielzeug. Erfreulicherweise bietet seit dem 8. Stadtfest Zinngießermeister Anton Eisenhart aus Eichstätt Zinnsachen an. Für Biertrinker, die Angst haben, dass Käfer und Spinnen in den Bierkrug fallen, fertigt er für die Festkrüge Zinndeckel mit dem Friedberger Wappen an.
Auch die Schreiner und Schäffler bildeten in Friedberg im 18. Jahrhundert eine eigene Zunft. Obermeister Konrad Sedlmeyr von der Schreinerinnung Aichach-Friedberg nimmt heute mit der Durchführung der Zwischen- und Gesellenprüfung eine Aufgabe wahr, die ein Zunftmeister in der Friedberger Zeit innehatte. Mitglieder der Schreinerinnung Aichach-Friedberg Michael Fleig, Anton Gropper, Gerhard Heinzel, Alois Niedermaier, Thorsten Hofgärtner, Konrad Achter, Werner Sedlmeyr, Thomas und Konrad Sedlmeyr, Andreas Steinhardt haben ihren gemeinsamen Stand südlich des Rathauses. Die Fa. Werner Sedlmeyr fertigte beim 7. Stadtfest ein Dächlein für den historischen Tiefbrunnen beim Pfarrzentrum.
Obwohl von einer Steinmetzzunft in Friedberg im 18. Jahrhundert nichts bekannt ist, beherbergt die Stadtpfarrkirche St. Jakob ein Meisterwerk gotischer Steinmetzarbeit, den Gedenkstein von Herzog Ludwig dem Gebarteten vom Jahre 1409. Er zählt zu den größten Kunstschätzen, die die Stadt Friedberg besitzt. Dargestellt sind das herzogliche bayerische Wappen, die Oswaldlegende und die Sonnenscheibe des Herzogs. In Inschrift darunter bezieht sich auf die Errichtung der Befestigungsbauten Friedbergs.
Für Herrgottsruh arbeitete ein Steinmetz aus Augsburg. Wolfgang Schindel fertigte unter anderem 1744 die Orgelempore und 1754 die beiden marmornen „Weichbrunnenmuscheln“.
Sehr erfreulich ist, dass nach dem Tod von Franz Seidl im Dezember 2022 die Söhne Markus und Martin auch 2023 mit einem Stand südlich vom Rathaus dabei sind. Die Firma ist seit dem ersten Stadtfest vertreten und Franz Seidl hat beim 6. , 7. und 8. Stadtfest die Steinskulptur des unter der Last des Kreuzes gefallenen Christus für die Kniefälle angefertigt . Als weiterer Steinmetzbetrieb ist die Firma Matthäus Michl und Söhne mit einem Stand vertreten. Auch die Maurer und Zimmerleute hatten im 18. Jahrhundert eine eigene Zunft. Am Bau der Wallfahrtskirche Herrgottsruh war neben dem berühmten Maurermeister Benedikt Oettl ab 1745 der Stadtbaumeister Josef Singer beteiligt. Die Maler und Stuckateure arbeiteten auf Gerüsten in der Kirche, die der Stadtzimmermeister Michl Strasser errichtet hatte.
Josef Widtmann, Stadtzimmermeister hat 1772 nach Sturmschäden an der Wallfahrtskirche für die Reparatur ein großes dreifaches Gerüst gebaut. Während des Stadtfestes sind am Marienplatz Maurer, Stuckateure und Zimmerleute an ihren Ständen tätig: Die Fa Lindermayer Derching mit Roland Schmieder und Klaus Ellerbeck, der Stuckateur Stefan Pauer, die Zimmerer in einem gemeinsamen Stand mit Josef Bradl, Manfred Bradl, Erwin und Peter Pletschacher, Alexander Strobel, Jürgen Lindermayr, Gerhard Waha. Ebenfalls am Marienplatz haben die Spengler Werner Lorenz, Gerd Wolf und Rainer Holzapfel einen Gemeinschaftsstand. Die Anfertigung von Dachrinnen und Regenrohren kam im Friedberg des 18. Jahrhunderts immer mehr in Gebrauch.
Oft zerstörten im 18. Jahrhundert Unwetter die Kirchenfenster. Die Reparatur war teuer. Im Jahre 1717 bekam der Glaser 22 Gulden für die Reparatur der Kirchenfenster von St. Jakob. Glasermeister Karl Burger richtet für die Stadtfestbesucher an seinem Stand in der Jungbräustraße ein kleines sehenswertes Museum ein. Besondere Beachtung verdienen Glasteile vom großen Fenster des früheren Leichenhauses im Friedhof. Auf einer Glasscherbe ist der Name eines früheren Friedberger Bürgermeisters geschrieben.
Die Friedberger Handwerker errichteten in einer großartigen Gemeinschaftsarbeit beim 8. Friedberger Stadtfest, ehrenamtlich auf eigene Kosten, den 1. Kniefall. Den 2. und den 3. Kniefall haben die Friedberger Handwerker während des 6. und 7. Stadtfestes angefertigt. Sie stehen beim Krankenhaus und vor Herrgottsruh. Aufgestellt wurde der 1. Kniefall fast genau an der Stelle in der Ludwigstraße, wo er im 18. Jahrhundert stand.
Gabriele und Dr. Hubert Raab
Historische Berater der "Friedberger Zeit"