Der Dinzeltag
Dinzeltag (1. Sonntag im Stadtfest)
1989 wurde das erste Stadtfest „Friedberger Zeit“ gefeiert. Grundidee war, alle in der Stadt lebenden Menschen aber auch alle Bewohner der Stadtteile bei einem historischen Fest zusammenzubringen und gemeinsam zu feiern. Da die wohl bedeutendste Zeit Friedbergs das 18. Jahrhundert war, als die Uhrmacher der Stadt zu Weltruf verhalfen, verlegte man das Fest in diese Zeit. So kam es zur „Friedberger Zeit“, einem Stadtfest, das so nur in Friedberg gefeiert werden kann und mit dem sich die Friedbergerinnen und Friedberger identifizieren können.
Seit dem 8. Stadtfest wurde die Idee eines Dinzeltages von Gabriele und Dr. Hubert Raab aufgegriffen, eines Festtages, der im sozialen Leben Friedbergs im 18. Jahrhundert eine bedeutende Rolle spielte.
Zunftwesen in Friedberg
Seit dem Mittelalter hatten sich die Handwerker in Zünften zusammengeschlossen, um die gemeinsamen Interessen, die Rechte und Pflichten der Meister, Gesellen und Lehrbuben zu wahren. Die Qualität der Handwerksarbeit sollte erhalten werden. Durch die Begrenzung der Meister und Zunftzwang wurde Konkurrenz ausgeschaltet. Die Zunft überwachte aber auch die Ordnung und Sittlichkeit ihrer Mitglieder und ahndete Verstöße. Die Zunft fühlte sich wie eine Bruderschaft für das religiöse Leben ihrer Zunftmitglieder verantwortlich und nahm rege am religiösen Leben teil.
Schon vor dem Dreißigjährigen Krieg können Zünfte in Friedberg nachgewiesen werden. In dem vom Stadtpfarrer Freiherr von Eckher 1728 angelegten Urbarium Civitatis sind achtzehn Zünfte mit ihren Dinzeltagen erwähnt:
1. Uhrmacher, Schlosser und Bixenmacher-Gesellen am Montag nach hl. 3 König
2. Maurer und Zimmerleute fer.2. ante hebdomatem Rogationum
3. Schuhmacher fer. 2. post Ascens. Dni.
4. Hucker fer. 3. post Ascens.
5. Müller fer. 4. p. Ascens.
6. Schneider fer. 2. p. Dom. Trinit.
7. Bäcker fer. 2. post Oct. Corp. Christi
8. Sattler, Färber und Tuchscherer fer. 3. p. Oct. Corp.
9. Uhrmacher, Schlosser und Bixenmacher-Meister fer.2. post visit. B.V.M.
10. Weber fer.2.post fest. S. Udalr.
11. Schmiede und Wagner fer.3. post fest. S. Udalr.
12. Schreiner und Schäffler fer. 2. hebdomat. ante S. Jacob.
13. Metzger fer. 3. sequ.
14. Rotgerber circiter ante festum S. Jacobi vel post festum
15. Krämer wie die Rotgerber
16. Bader fer. 2. post Nat. B.V.
17. Bräuer fer. 2. ante festum S. Martini
18. Schützen fer. 2. ante fest. S. Catharinae.
Zunftsiegel, Zunfttruhe, Zunftschilde, Zunftkrüge und Zunftstangen
Die Zunft hatte rechtsfähigen Status und verwaltete sich selber. Jede Zunft durfte ein eigenes Siegel führen.
In der Zunftlade, einer mit Doppelschlössern versehenen Truhe, wurden das Zunftsiegel, der Zunftbrief, die Rechnungen, die Einschreibbücher der Lehrjungen und der Wanderjahre der Gesellen und das Verkündbuch mit den Namen der verstorbenen Zunftgenossen aufbewahrt. Das Öffnen der Lade erfolgte feierlich. Die Besprechungen, die bei geöffneter Lade erfolgten, mussten „fein beschaidenlich“ vorgetragen werden. Sonst erfolgten empfindliche Strafen.
Zunftschilde hingen, wie die Stammtischzeichen, über den Tischen in der jeweiligen Zunftherberge.
Zunftkrüge wurden nur bei feierlichen Anlässen mit Bier oder Wein gefüllt.
Für ihre Zunftstangen wählten die Handwerker Heilige als Patrone aus, deren Leben in Bezug zum jeweiligen Handwerk stand. Im Museum im Wittelsbacher Schloss der Stadt Friedberg sind z. B. die Zunftstangen der Bäcker mit der hl. Barbara, der Metzger mit dem hl. Nikolaus, und der Schuhmacherzunft mit den hll. Crispinus und Crispinianus neben weiteren Stangen vorhanden. Auch Toten- oder Bahrtuchschilder wie die der Bräuer mit den Handwerkspatronen Petrus, Paulus und Jakobus, Zunftladen und weitere Gegenstände der Zünfte finden sich dort.
Die Jahr- oder Dinzeltage
Jede Zunft hielt jährlich einen Dinzeltag ab. Der Name kommt von Dingestag, was soviel bedeutet wie Gerichtstag. Es war der Versammlungstag der Handwerksleute, auch der Jahrtag für die Verstorbenen der Zunft. Nach dem Gottesdienst fanden die Besprechungen in der Herberge oder im Wirtshaus statt. Mit einem Mahl und Tanz endete der Dinzeltag.
Der Notar Otto Klieber schreibt in seinen „Materialien zu einer historisch-topographisch-statistischen Beschreibung der Stadt Friedberg“ auf Seite 199:
Der Dingeltag wurde damit eröffnet, dass der Stadtpfarrer zum Gedächtnis der verstorbenen Zunftgenossen in der ST.Jakobspfarrkirche ein Seelenamt mit Requiem und einem bei dem allgemeinen Totenbeinkirchlein abgesungenen Libera hielt.
Nach dem Gottesdienste zogen die Zunftgenossen in ihre Herberge, woselbst vor allem der „Lademeister“ Rechnung ablegte.
Hierauf folgte ein gemeinsames Mahl und in der Regel brachte Musik mit Tanz die Festlichkeit zum Abschluss.
Aber nicht bloss Rechnungsablegung, sondern auch andere, die Zunft berührende Verhandlungen, wie die Einschreibung der Lehrzeit der Lehrjungen, die Freisagung derselben, die Einschreibung der Versitzzeit u. dgl. fanden vor „offener Lade“ statt. Es war deshalb jedem Zunftgenossen zur strengsten Pflicht gemacht, zum Dingeltag seiner Zunft zu erscheinen.
Ungerechtfertigtes Ausbleiben wurde vom Stadtrate mit „halbtägigem Arrest im Kälberkeller“ geahndet.
Gleiche Strafe traf den Zunftgenossen, der zur Zunft nichts gab, oder der, wenn die Reihe ihn traf, sich weigerte bei der Prozession die „Zunftstange“ zu tragen.
R.P. v. 10.7.1688 fol.19.
In der Tradition dieser Dinzeltage soll beim Stadtfest besonders am 1. Sonntag das Handwerk in den Mittelpunkt gestellt werden, mit einem Festgottesdienst und dem Einzug der Handwerker mit ihren Zunftstangen, einem Totengedenken der verstorbenen Handwerker, und der feierlichen Weihe der neuen Zunftstangen. Am Nachmittag lassen die Handwerker alle Stadtfestbesucher und besonders die Kinder an ihren handwerklichen Tätigkeiten teilnehmen.
Gabriele und Dr. Hubert Raab
Historische Berater der Friedberger Zeit